Dreieinhalb Jahre und immer noch kein Ende –
Lehren aus der Corona-Zeit zur Verteidigung der Freiheit
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Corona war und ist noch immer auch ein merkantiles Ereignis ersten Ranges.
Corona war ein medizinisches und machtpolitisches Ereignis. Die Geschichte des ersten ist schnell erzählt, die des zweiten ist weit größer, wichtiger, bedrohlicher und dauert noch an.
Zunächst das medizinische. Ende 2019 wurde in der Elfmillionenmetropole Wuhan in Zentralchina ein neuartiges Coronavirus entdeckt, das sich schnell von Mensch zu Mensch übertrug und eine Lungenerkrankung verursachte, die später den Namen Coronavirus Disease 2019 (Covid-19) bekam. Bei älteren Menschen mit Vorerkrankungen, vor allem Diabetes mellitus und Übergewicht, verursachte Covid schwere und manchmal tödliche Verläufe. Für die restliche Bevölkerung stellte es, mit wenigen Ausnahmen, jedoch kein ungewöhnliches Risiko dar. Bald war erkennbar, daß die Schwere der Erkrankung in etwa der einer mittelschweren Grippe gleichkam, mit einer von dem Epidemiologen John Ioannidis von der Stanford University berechneten Sterblichkeit in der Größenordnung von 1 pro 1 000. Das amtlich errechnete Durchschnittsalter der an Covid Verstorbenen betrug in Deutschland 82,2 Jahre, etwa fünf Monate mehr als die allgemeine Lebenserwartung von 81,7 Jahren. Das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung berichtet, daß die Belegung der Krankenhausbetten 2020 nicht stieg, sondern um etwa 14 Prozent sank, und das zu einer Zeit, als die virulentere Wuhan-Virusvariante im Umlauf und noch keine Impfung verfügbar war. Auch waren im Schnitt nur etwa zwei Prozent aller Krankenhausbetten und vier Prozent der Intensivbetten in jenem Jahr von Covid-Patienten belegt. Eine Untersuchung der Universität Essen stellte fest, daß 2020 nicht mehr Menschen in Deutschland starben, als statistisch zu erwarten gewesen wäre. Das galt auch für Lungenerkrankungen: 2020 wurden in Deutschland offiziell 61 358 Todesfälle wegen »Krankheiten des Atmungssystems« registriert, deutlich weniger als 2019 (67 021 Fälle) oder 2018 (71 719 Fälle).
»Im Westen nichts Neues« hätte also die Meldung 2020 lauten müssen, denn in diesem Jahr passierte weder an der Krankheitsfront insgesamt noch im Frontabschnitt der respiratorischen Infektionen etwas Besonderes.
Doch es kam ganz anders. Nachdem anfangs bezüglich der Gefährlichkeit der Erkrankung beschwichtigt worden war, rief die Weltgesundheitsorganisation am 11. März 2020 eine weltweite Covid-Pandemie aus, die durch Einführung des unbestimmten Rechtbegriffs »epidemische Lage von nationaler Tragweite« in das Infektionsschutzgesetz am 28. März 2020 im deutschen Recht übernommen wurde. Es folgte eine beispiellose Reihe von Grundrechtseingriffen über Ausgangssperren, die in Anlehnung an Maßnahmen zur Befriedung von Unruhen in Gefängnissen »Lockdowns« genannt wurden, bis hin zu ungetesteten und abstrusen Test- und Abstandsregeln und zur Maskenpflicht. Inzwischen haben sich all diese Regelungen als so gut wie wirkungslos erwiesen. Rückblickend können als Trigger-Ereignis die Schockbilder aus Bergamo in Norditalien erkannt werden. Besonders wirkte das am 18. März 2020 scheinbar von dem Ryanair-Flugbegleiter Emanuele Di Terlizzi aufgenommene Bild eines Militärkonvois, das Covid‑19-Tote transportierte; auch eine Halle voller Särge wurde gezeigt.
Später stellte sich heraus, daß der militärische Transport nicht wegen ungewöhnlich vieler Todesfälle benötigt wurde, sondern aus einer Vorschrift zur Einäscherung von Covid-Toten im katholischen und damit krematorienarmen Italien resultierte, wodurch sich viele Leichen stapelten und abtransportiert werden mußten. Das Särge-Halle-Bild stammte zudem nicht aus Bergamo, sondern wurde 2013 in Lampedusa aufgenommen.
Doch der Effekt war erzielt: Nach den »Bildern aus Bergamo« war eine sachliche Diskussion nicht mehr möglich. In Windeseile schälte sich ein Narrativ heraus, das von allen Leitmedien, von sämtlichen amtlichen Stellen und den beiden Kirchen übernommen und verstärkt wurde. Verblüffend war auch die Ähnlichkeit der Corona-Berichterstattung bis hin zu einzelnen Formulierungen weltweit.
Das Ganze steigerte sich noch, als Ende 2020 die ersten Impfstoffe gegen Corona auf den Markt kamen. Obwohl es nie gelungen war, einen guten Impfstoff gegen irgendeine virale respiratorische Erkrankung zu entwickeln – die Grippeimpfung eingeschlossen –, war sofort klar, daß die Impfung der gesamten Bevölkerung den »einzigen Weg aus der Pandemie« darstellte. Eine Diskussion aller anderen Mittel war tabu.
Schnell etablierten sich in Deutschland vier Impfstoffe: zwei Vektorimpfstoffe auf DNA-Basis von den Herstellern AstraZeneca und Johnson & Johnson sowie zwei auf mRNA-Basis von Pfizer/BioNTech und Moderna. Später machten die mRNA-Stoffe das Rennen. Alle vier erhielten Notzulassungen (»conditional marketing authorizations«) der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) und galten als »wirksam und sicher«. SPD-Gesundheitsminister Karl Lauterbach bezeichnete sie gar als »nebenwirkungsfrei«.
Bei der Impfkampagne steigerte sich das mediale Trommelfeuer noch einmal erheblich. Anfängliche Beteuerungen der politischen Klasse, kategorisch gegen eine Impfpflicht zu sein, schlugen in ihr Gegenteil um. Nach der Einführung einer Impfpflicht bei der Bundeswehr und im Gesundheitswesen scheiterte die Einführung einer allgemeinen Impfpflicht am 7. April 2022 eher aus parteipolitischen und taktischen als aus inhaltlichen Gründen, denn mit Ausnahme der AfD waren alle im Bundestag vertretenen Parteien für ihre Einführung, wenn auch mit leicht unterschiedlichen Schwerpunkten. Wer sich gegen eine Impfpflicht oder gar gegen die Impfung per se aussprach, sah sich medialen Diffamierungen ausgesetzt, die man bis dahin im öffentlichen Diskurs in Nachkriegsdeutschland für unmöglich gehalten hätte: »Ich hingegen möchte an dieser Stelle ausdrücklich um gesellschaftliche Nachteile für all jene ersuchen, die freiwillig auf eine Impfung verzichten. Möge die gesamte Republik mit dem Finger auf sie zeigen«, schrieb Nikolaus Blome am 7. Dezember 2020 in seiner Spiegel-Kolumne. Der FDP-Politiker Rainer Stinner bezeichnete Menschen, die sich nicht impfen lassen wollten, am 4. August 2021 auf Twitter als »gefährliche Sozialschädlinge«. Ein ähnlich ungutes historisches Tremolo erzeugte am 3. Dezember 2021 ein Tweet der ZDF-»Komikerin« Sarah Bosetti, die Nichtgeimpfte als »Blinddarm« der Gesellschaft bezeichnete, der »für das Überleben des Gesamtkomplexes« nicht essentiell sei.
Man könnte viel über die Zulassungsstudien schreiben, über die Gefahren der kaum erprobten mRNA-Technologie, über Ungereimtheiten bei der Impfstoffherstellung und Unwahrheiten in bezug auf Wirksamkeit und Sicherheit, die von fast allen Medien transportiert wurden, doch muß hier ein Resümee unseres Kenntnisstands genügen. Ich werde versuchen, bei Unklarheit Aussagen zugunsten der Impfstoffe zu treffen.
Die Impfpräparate bieten anscheinend einen begrenzten Schutz gegen »schwere Verläufe« wie etwa die Notwendigkeit einer Behandlung im Krankenhaus, doch dieser Schutz nimmt mit der Zeit ab und ist spätestens nach neun Monaten nicht mehr existent. Die Präparate bieten scheinbar auch einen gewissen Schutz vor Ansteckung, doch wandelt sich dieser nach etwa einem halben Jahr in sein Gegenteil um, so daß Geimpfte dann ein – vielleicht langfristig – erhöhtes Risiko aufweisen, sich mit Covid anzustecken. Durch »Booster«-Impfung gelingt es, den »Schutz vor dem schweren Verlauf« aufzufrischen, doch für eine kürzere Zeit als die »Grundimmunisierung«, die sich zudem mit jedem weiteren »Booster« noch weiter verkürzt. Dazu scheinen »Booster«-Impfungen das Immunsystem zu schwächen, möglicherweise dauerhaft. Daß die Impfung zu keinem Zeitpunkt die Weitergabe des Virus verhindert hat, ist hier besonders wichtig, denn mit dem Argument, daß dies möglich sei, wurde die Impfpflicht begründet. Den bescheidenen Schutzwirkungen gegen Ansteckung und einen »schweren Verlauf« (der nur für Risikopatienten relevant ist) steht ein hohes und immer noch unbekanntes Risiko unerwünschter Wirkungen entgegen. Diese Wirkungen, die vor allem das Gefäß-, das neurologische und das Immunsystem betreffen, sprengen um den Faktor 100 bis 1 000 alles, was bisher bei Impfstoffen registriert wurde. Und sie dauern noch an, obwohl seit Juni 2022 kaum noch geimpft wird. Die Übersterblichkeit und der Geburtenrückgang der letzten zwei Jahre in Höhe von sechs bis zehn Prozent sind als massiv zu bezeichnen und noch ungeklärt. Daß sie zumindest teilweise auf die Impfung zurückzuführen sind, wird mangels alternativer Erklärungen immer wahrscheinlicher. Insgesamt muß die Nutzen-Risiko-Bilanz der Impfstoffe als verheerend bezeichnet werden. Daher ist es schwer verständlich, warum die Impfstoffe nicht vom Markt genommen werden, bis alle offenen Fragen geklärt sind.
Trotz des enormen Drucks blieben 24 Prozent der deutschen Bevölkerung und damit 19,6 Millionen Menschen ohne Impfung, davon etwa 15 Millionen aufgrund einer bewußten Entscheidung; die restlichen 4,6 Millionen waren Kinder bis fünf Jahre, für die es keine Impfempfehlung gab. Bezeichnenderweise war die Impfskepsis auf dem Territorium der vormaligen DDR-Diktatur und unter »normalen Menschen« besonders hoch, während die Impfgläubigkeit in der »besseren Schicht« und den kulturellen und akademischen Bastionen der ehemaligen Bonner Republik kultartige Züge annahm. Stellvertretend kann hier die Twitter-Impfkampagne #allesindenarm gelten, die im November 2021 unter anderem von dem Rapper Michael Bernd Schmidt (»Smudo«), der SPD-Politikerin Manuela Schwesig, der Physikerin Melanie Brinkmann und der ZDF-Moderatorin Dunja Hayali ins Leben gerufen wurde und mit Aussagen wie »Wissenschaft und Solidarität sind der Weg aus der Pandemie. Deshalb: Laßt euch impfen!« die moralisierende Selbstgerechtigkeit dieser Schicht zur Schau trug.
Zusammenfassend ist festzuhalten, daß wir in Deutschland keinesfalls »recht gut durch die Pandemie gekommen« sind, wie Karl Lauterbach im April 2023 behauptete. Vielmehr hat sich die Pandemie als Katastrophe erwiesen. Die gesundheitlichen, wirtschaftlichen, psychischen und sozialen Schäden werden sich erst in Jahrzehnten beziffern lassen. Sie sind aber nicht der Gefährlichkeit eines grippalen Infekts zuzuschreiben, sondern durch überzogene und teilweise hysterische Reaktionen seitens der Entscheider unserer Gesellschaft entstanden. Das Argument, man habe es zum jeweiligen Zeitpunkt »nicht besser wissen können«, ist nicht glaubwürdig. Bis Corona wurden Infektionsausbrüche durch Quarantäne der Kranken und nicht durch Wegsperren der Gesunden bekämpft. Die »Lockdowns« und sonstigen Beschneidungen elementarer Grundrechte hätten also einer besonderen Rechtfertigung bedurft, die es jedoch zu keinem Zeitpunkt gab.
Wir kommen nicht umhin, die Schuldfrage zu stellen. Diese kann man sich als Kaskade vorstellen. Am meisten Schuld trifft aus meiner Sicht die Initiatoren der Corona-Pandemie. Damit meine ich die Vertreter des international operierenden militärisch-medizinisch-industriellen Komplexes mit Hauptsitz in den Vereinigten Staaten. Aus geleakten und freigeklagten Dokumenten ist inzwischen klar, daß das amerikanische Verteidigungsministerium und die deutsche Regierung bei der jahrelangen Vorbereitung der »pandemic response« eine zentrale Rolle spielten, anscheinend unter Umgehung üblicher Regularien hinsichtlich der Finanzierung, Zulassung und Herstellung der Impfstoffe. Auch spricht vieles dafür, daß das SARS‑CoV‑2-Virus durch genetische Manipulation eines für Menschen harmlosen Fledermaus-Coronavirus im Institut für Virologie Wuhan entstand. Besondere Akteure scheinen hierbei Anthony Fauci vom National Institute of Allergy and Infectious Diseases (NIAID), der Immunologe Ralph Baric von der University of North Carolina at Chapel Hill und der Zoologe Peter Daszak, Präsident der Nichtregierungsorganisation EcoHealth Alliance gewesen zu sein. Nachdem solche »Gain-of-Function-Forschung« in den USA wegen ihrer Gefährlichkeit verboten worden war, wurden, so scheint es, die Versuche nach China »outgesourct«, wo die Regularien weniger streng sind. Es gilt als sicher, daß frühzeitig auch deutschen Forschern, hier explizit Christian Drosten, der wahrscheinliche Labor-Ursprung von SARS‑CoV‑2 bekannt war, sie aber massive Anstrengungen unternahmen, um diese Hypothese zugunsten der eines natürlichen Ursprungs zu unterdrücken. Unbekannt ist derzeit, ob die Freisetzung des Virus aus dem Labor ein Unfall oder ob sie geplant war. Vor diesen Hintergründen müssen sowohl der Virusursprung als auch die Impfstoffherstellung als Teil eines Biowaffenprogramms angesehen werden, denn Anwendungen für Gain-of-Function-Forschung bei potentiell gefährlichen Infektionserregern finden sich derzeit fast ausschließlich im militärischen Bereich. Dieser Anwendungsbereich, die dahinterstehenden Akteure und die massiven finanziellen Interessen der Beteiligten erklären auch die minutiöse Covid-Choreographie weltweit.
Die nächste Ebene in der Schuldenkaskade bildet die Allianz aus nationaler und internationaler Politik, Nichtregierungsorganisationen, Zulassungsbehörden und der Pharmaindustrie, die den »pandemischen Plan« in den verschiedenen Ländern umgesetzt haben.
Darauf folgen eine Priesterkaste aus prominenten Wissenschaftlern, Ärzten, Intellektuellen, Akademikern und Persönlichkeiten aus der Welt der Unterhaltung und des Sports sowie die öffentlichen und privaten Medien, die zusammen das Narrativ der gefährlichen Pandemie und der »Rettung« durch die Impfung gesponnen und verkauft haben. Sind das Virus und die Impfung der biologischen Kriegsführung entsprungen, so wurden auf dieser Ebene alle Register der psychologischen Kriegsführung gezogen, von Nudging über Framing bis hin zu Gaslighting und Desinformation.
Schuld tragen auch die »Soldaten« der Pandemie. Diese sind neben örtlichen Behörden wie der Polizei und den Gesundheitsämtern die ärztlichen Standesorganisationen, die medizinischen und Pflegeeinrichtungen, die Ärzteschaft insgesamt und die einzelnen Ärzte, die die »Maßnahmen« implementiert, überwacht und später die Impfungen durchgeführt haben.
Sodann folgt die Justiz, die ihre Überwachungsfunktion in bezug auf die Wahrung der Grundrechte teilweise vernachlässigt und vielfach Parteilichkeit bis an die Grenze der Rechtsbeugung gezeigt hat. Auch sind bei Corona die fehlende Unabhängigkeit der Staatsanwaltschaft und die teilweise Abhängigkeit des Richterstands von der Exekutive in Gestalt der Justizminister schmerzlich sichtbar geworden.
Ebenfalls nicht frei von der Schuld sind die Mitläufer in der Bevölkerung, die bei der Repression und Ausgrenzung ihrer Mitmenschen, oft ihrer Arbeitskollegen, Nachbarn oder gar Familienmitglieder, teilweise mit einer bizarren Freude mitgemacht haben. Der Psychologe Mattias Desmet aus Ghent in Belgien hat in diesem Kontext eindrücklich von einer hypnoseartigen »Massenformation« gesprochen.
Schließlich trifft eine gewisse Schuld auch den schweigenden Teil der Bevölkerung, der zwar nicht mitgemacht, aber auch nicht eingegriffen und sich geäußert hat und der teilweise mit der eigenen Gesundheit und derjenigen seiner Kinder unachtsam umgegangen ist. Demokratie ist die Herrschaft des Volkes. Dazu gehört, daß das Volk auch die Klugheit aufbringt, Mißstände zu erkennen, und den Mut, diese öffentlich zu kritisieren, auch wenn entsprechende Äußerungen persönliche Nachteile mit sich bringen.
Benjamin Franklin, einer der Gründervater der USA, schrieb einmal: »Wer die grundlegende Freiheit aufgibt, um sich vorübergehend ein wenig Sicherheit zu erkaufen, der verdient weder Freiheit noch Sicherheit.« Und verliert am Ende beides, könnte man hinzufügen.
Die Corona-Episode hat vieles freigelegt, was lange unter der Oberfläche verborgen gewesen war: der Machthunger des Staates, die Kraft der Propaganda, die Ängstlichkeit und Gutgläubigkeit der Bevölkerung, die Gewissenlosigkeit der Entscheidungsträger in unserer Gesellschaft. »Ständige Wachsamkeit ist der Preis der Freiheit«, sagte Thomas Jefferson, ein weiterer Gründervater der USA. Die Bürger in Deutschland haben diese Wachsamkeit in bezug auf Corona vermissen lassen und dafür einen hohen Preis bezahlt. Wollen wir hoffen, daß hieraus die Lektion gelernt wird, daß Angstszenarien welcher Art auch immer mit größter Skepsis zu betrachten sind, gerade wenn sie mit einem moralischen Appell an die Opferbereitschaft gekoppelt sind.
Epilog: Während ich diesen Artikel verfaßte, war in der Corona-Frage ein immer lauter werdendes Rascheln im medialen Unterholz national und international (dort wieder mit einem Epizentrum in den USA) zu vernehmen. Es sei eine neue Variante aufgekommen, nach der griechischen Göttin der Zwietracht »Eris« genannt, die für eine Zunahme der Fälle, darunter auch schwere, verantwortlich sei. Deshalb sei es nötig, die »Maßnahmen« wiedereinzuführen und eine erneute (für manche inzwischen die sechste) Impfung zu verabreichen. Prompt führte das Universitätsklinikum in Kiel unter Leitung des Bundeskanzler-Bruders Jens Scholz am 13. August 2023 eine Maskenpflicht ein. Bereits am 1. September wurde ein »angepaßter« Impfstoff der Firma Pfizer/BioNTech von der EMA zugelassen. Dies war so schnell möglich, weil aufgrund der vollen Zulassung der mRNA-Impfstoffe am 10. Oktober 2022 weitere Studien nicht mehr notwendig sind, um neue Varianten der existierenden Stoffe auf den Markt zu bringen – aus Herstellersicht ein Hauptvorteil der mRNA-Plattform. Bereits am 18. September wird der »neue« Impfstoff in Deutschland ausgeliefert.
Was hat es mit dieser Variante auf sich? Aus der wissenschaftlichen Bezeichnung »Omikron XBB.1.5« erkennen wir, daß es sich um eine Unterform der Omikron-Variante handelt, die ohnehin weniger krankmachend war als die vorhergehenden Alpha- oder Delta-Varianten. Dabei hat selbst die ursprüngliche Variante aus Wuhan, die virulenteste von allen, in Deutschland zu keinem außergewöhnlichen Krankheitsgeschehen geführt. Das höchst wandelbare SARS‑CoV‑2-Virus ist inzwischen endemisch, das heißt Teil des normalen Meeres von Abermillionen Bakterien und Viren, mit denen wir täglich in Kontakt kommen. Mit jeder Variante ist es weniger krankmachend und besser an uns angepaßt, wie auch die WHO in einer Risikoevaluierung von XBB.1.5 am 9. August 2023 feststellte. Ohnehin gelingt es dem Virus, mit jedem Kleiderwechsel den Schutz der bisherigen Impfung zu umgehen, ein Phänomen, das als »immune escape« bekannt ist. Mit jeder Variante werden also Nutzen und Notwendigkeit der »Maßnahmen« inklusive der Impfung immer geringer, während ihre Schädlichkeit und die Risiken der Impfung zunehmen.
Der Zynismus der Akteure, die diese neue Angstwelle losgetreten und verstärkt haben, ist also kaum zu überbieten. Wer ihnen immer noch auf den Leim geht, dem ist vielleicht auch nicht mehr zu helfen. ◆
PAUL CULLEN,
geb. 1960 in Dublin; Internist, Labormediziner, Molekularbiologe und Leiter eines medizinischen Labors in Münster. Vorsitzender des Vereins
Ärzte für das Leben. In Cato erschien von ihm zuletzt »Lust am Untergang« (3/2023).