Bild: pixabay hoarfrost
Editorial von Andreas Lombard
Das Umschlagbild dieser Ausgabe zeigt zwei Männer auf dem Berg Jebel Samhan in Oman, die vielleicht in der Ferne das Arabische Meer sehen. Dieses Bild aus Wüste, Sonne und ozeanischer Weite erinnert mich an Das Ufer der Syrten, einen den Leser magisch einnehmenden Roman von Julian Gracq aus dem Jahre 1951, den ich 1989 am Strand in Tunesien las. Ich hatte nicht den Eindruck, einer wahren Geschichte zu folgen – sondern der Wahrheit über unsere Geschichte. Gracqs Visionen eines bevorstehenden Unheils, inspiriert von eigenen Kriegserlebnissen und Jüngers Marmorklippen, hätte ich damals schwerlich mit dem heutigen Migrationsgeschehen verknüpfen können. Zwar bemerkte ich bereits, daß viele junge Männer kein anderes Ziel hatten als Deutschland. Aber das war noch ein friedliches Sehnen. Der Andrang und die Gewalt der Gegenwart wären mir unvorstellbar gewesen, erst recht das Verlangen nach reinigender Erlösung, mit dem viele Deutsche auf ein Potential von Zuwanderung zu blicken scheinen, das sie alarmieren müßte.
In Gracqs Roman geht es um einen seit 300 Jahren andauernden Kalten Krieg, der sich langsam zu neuer Hitze steigert. Auf geheimnisvolle Weise teilt sich mit, daß der imaginäre Kulturstaat Orsenna kaum mehr die Kraft hat, sich des orientalischen Farghestans zu erwehren. Die Stadt am Meer war »greisenhaft geworden, und es schien, als begrüßte sie die Unglücksgerüchte wie eine köstliche Aufpeitschung ihrer vertrockneten Lebensform.« Ja, dieses Volk sind wir. Hier wie dort sind seine Verräter diejenigen, die seine geheimsten Wünsche in die Tat umsetzen, sei’s von links oder von rechts, die Wünsche eines Volkes, das »niemals geneigt war, tragisch zu denken«. Äußere Bedrohung und innere Schwäche greifen Hand in Hand. Wir kennen die tägliche Nachrichtenlage. Und wir ahnen, daß es kein Zurück mehr gibt.
Wenn wir die anderen zu warnen versuchen, reden sie uns ein, Kassandra sei die Göttin der Verschwörungstheorie. Immer mehr Länder lehnen den »Global Compact for Migration« ab, aber viele deutsche Politiker finden die Einladung an alle noch nicht einladend genug. Dabei sind wir nicht allein. Besonders unsere Nachbarn im Osten fürchten die Selbstaufgabe der Deutschen. Das präzedenzlose Ansinnen dieses Volkes, »die Niederlage durch ein hysterisch ins Allmenschliche gesteigertes Schuldbekenntnis in einen inneren Sieg zu pervertieren«, wie Walter Benjamin schon nach dem Ersten Weltkrieg hellsichtig konstatierte, mündet, so Thorsten Hinz, in eine »noch nie geschriebene Tragödie«. Daß die Auseinandersetzungen härter werden, prophezeit auch Thomas Fasbender in seiner geopolitischen tour d’horizon »Die Rückkehr der Geschichte«. Schon mit seiner Kosovopolitik habe sich Deutschland einen Gazastreifen vor die eigene Haustür geholt, sagt Martin Heipertz, und auch das Pulverfaß Südafrika führt den Deutschen ihre Unfähigkeit vor Augen, sich auf der Höhe aktueller Probleme auch nur zu artikulieren; das zeigt der Reisebericht »Das Ende der Illusionen«. Vom derzeitigen Außenminister, der jetzt in Lederjacke und Turnschuhen vor die Presse trat, haben wir jedenfalls noch nichts Wegweisendes gehört.
Genug. Mit diesem Heft beginnt der zweite Jahrgang. Bleiben Sie uns treu, empfehlen Sie uns bitte weiter und verschenken Sie Cato. Bald ist Weihnachten. In wenigen Wochen schon feiern wir die Geburt des Heilands, das Fest der Hoffnung auf die Heilung der Welt. – Ein frohes und gesegnetes Fest wünscht Ihnen
Ihr