
Ausgabe No. 1 | 2026: »Der bestirnte Himmel über uns«
Ob die steinzeitlichen Höhlenmaler vor etwa 30.000 Jahren Menschen wie wir waren, sollte angesichts ihrer uns überlieferten hinreißend nach der Natur gemalten Pferde, Bisons, Mammuts, Löwen, Bären und Nashörner nur noch eine Frage für unverbesserliche Anthropologen sein. Wir jedenfalls gehen davon aus, daß sich auch diese Vorläufigen beim Blick in den sternenübersäten Himmel gefragt haben werden: Wo kommen wir her, wo gehen wir hin, und wieviel Zeit bleibt uns? Diese Frage, die immer auch eine nach Gott war, ist von einer endgültigen Klärung so weit entfernt wie eh und je. Unsicher ist auch, ob die Erde ewig um die Sonne kreisen wird. Sind wir bereit, Jesus Christus Glauben zu schenken, dessen Geburt in Bethlehem wir auch in diesem Jahr zu Weihnachten wieder feiern werden, dann wird sich am apokalyptischen Ende der Zeiten »die Sonne verfinstern und der Mond wird nicht mehr scheinen; die Sterne werden vom Himmel fallen und die Kräfte des Himmels werden erschüttert werden« (Matthäus 24,29). Warum dereinst sieben Engel die Posaunen zum Jüngsten Gericht blasen werden, hat der niederländische Schriftsteller Harry Mulisch in seinem Roman Die Entdeckung des Himmels auf eigenwillige Weise beantwortet: Gottvater selbst ist (wieder einmal …) seiner Ebenbilder überdrüssig geworden und hat den zwischen ihm und den Menschen auf dem Berg Sinai geschlossenen Pakt unwiderruflich aufgehoben. Was zum finalen Vollzug noch nötig ist, regelt ein speziell damit beauftragter Engel. Der manipuliert Menschenschicksale so trickreich, daß die mit den Zehn Geboten beschriebenen zwei Tafeln ihren Weg zurück in den Himmel finden. Ein für Neuzeitler absurder Vorgang. Doch noch im Mittelalter nahm jedermann an, nicht autonom zu sein. Beredte steinerne Zeugnisse des Glaubens an die Allmacht des dreifaltigen christlichen Gottes sind die gotischen Dome. Marcel Proust hat in seinem 1904 publizierten Essay »Der Tod der Kathedralen« hellsichtig erkannt: »Wenn das Opfer des Fleisches und des Blutes Christi nicht mehr in den Kirchen gefeiert wird, wird es kein Leben mehr in ihnen geben.« In diesem Zustand ist das Gotteshaus zum Museum degeneriert. Eine staatliche Hochschule in Trägerschaft der Gesellschaft Jesu hat diesen Tiefpunkt erreicht, wenn dort ein Vortrag zum Thema »Ist Gottes Existenz eine Sache der Vernunfterkenntnis? Thomas von Aquin vs. Immanuel Kant« von Studenten mit Billigung der Hochschulleitung gecancelt werden kann. Dies ist Sebastian Ostritsch Ende November an der Hochschule für Philosophie in München widerfahren. Ostritsch, Philosoph und Publizist, lehrt als Privatdozent an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg, ist Redakteur bei der Würzburger Tagespost und inzwischen auch Cato-Autor. Sein Buch Serpentinen. Die Gottesbeweise des Thomas von Aquin nach dem Zeitalter der Aufklärung ist mittlerweile im Handel und sei hiermit all jenen zur Lektüre empfohlen, die sich fragen: Wieviel Zeit bleibt uns – noch?
Ihr Ingo Langner
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