Ausgabe No. 5 | 2024: Nicht wegsehen, niemals!
Verblendung: Dieses Wort durchzieht Europas Geistesgeschichte wie kaum ein zweites. In Homers Ilias muß Agamemnon schmerzhaft feststellen, von Zeus in tiefe Verblendung gestürzt worden zu sein. Augustinus zufolge wird Hochmut von Gott mit einer »Verblendung des Geistes« bestraft. Theodor W. Adorno schließlich spricht von einem »Verblendungszusammenhang«, der alle gesellschaftlichen Sphären umfaßt, weshalb wir »im Zeitalter der universalen Verblendung« leben, und Adorno konstatiert, daß nicht einmal die Erkenntnis dessen Abhilfe schafft, denn: »Der Verblendungszusammenhang, der alle Menschen umfängt, hat teil auch an dem, womit sie den Schleier zu zerreißen wähnen.« Dies ist der Punkt, an dem selbst jene Aufklärung, die nach Kant den »Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit« entlassen soll, vor ihrem Waterloo steht. Doch warum ist das so? »Im Grunde fürchtet der Mensch nichts so sehr wie die Freiheit – daher der Zulauf zu den Zwangsanstalten unserer Zeit«, notiert Ernst Jünger im sommerlichen Sardinien. Wenn Jünger recht hat, dann finden wir in dieser Freiheitsfurcht die Ursache sowohl für die Flucht von Millionen in die tödlichen Arme der Totalitarismen des 20. Jahrhunderts als auch für den Kleinmut, mit dem sich die Mehrheit der Deutschen in den letzten neun Jahren abermals in die Zwangsjacke staatlich verordneter Repressionen stecken ließ. Wenn sich ein Volk nicht einmal am Wahltag mehrheitlich gegen offene Landesgrenzen, Corona-Lockdown, Klima-Ideologie, Deindustrialisierung und EU-Bürokratie wehrt, womit kann diesem Volk noch geholfen werden? Vermutlich war es der griechische Stoiker Epiktet, der erkannte: »Nicht die Dinge verwirren die Menschen, sondern die Meinungen über die Dinge.« Mit welchen Meinungen die Öffentlich-Rechtlichen und ihre Brüder im Mainstream-Geiste uns täglich »verwirren«, ist wohlbekannt. Wohlbekannt müßte jedoch auch sein, daß es genug Alternativen gibt, sich unabhängig von der Regierungspropaganda zu informieren. Und wenn das nicht hilft, gibt es immer noch den Wink des Schicksals, das stets dann machtvoll eingreift, wenn Matthäi am Letzten zu sein scheint. Diesmal hob das Schicksal am 13. Juli in Butler im US-Bundesstaat Pennsylvania seinen Arm und lenkte die Kugel des Attentäters Thomas Crooks nicht in den Kopf von Donald Trump, sondern an dessen Ohr. Weswegen Trump den Anschlag überlebte und nicht geschockt, von seinen Leibwächtern gedeckt, unsichtbar für seine Anhänger vom Tatort floh, sondern sich geistesgegenwärtig aus der Deckung befreite und mit blutigem Kopf und erhobener Faust jenes inzwischen ikonische Bild erzeugte, das nicht nur seinen Anhängern offenbarte, daß augenscheinlich nur er erneut Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika werden muß. Lediglich an wenigen Tagen in der Geschichte haben Menschen der Freiheitsfurcht getrotzt und sind zum Zeichen für viele geworden. Butler am 13. Juli 2024 ist eines davon und wird Geschichte machen.
Ihr Ingo Langner
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