Ausgabe No. 2 | 2023:
Maikäfer flieg! Vater ist im Krieg
Einmal radikal, immer radikal, heißt es. Womit schon fast alles über jene wehrdienstverweigernden Fundamentalpazifisten gesagt ist, die in Deutschland gestern noch »Frieden schaffen ohne Waffen!« und »Soldaten sind Mörder!« skandierten und heute unsere Rüstungsindustrie (die kürzlich auch noch zum »Reich des Bösen« gehörte) anstacheln, Waffen am Fließband zu produzieren. Passend dazu titelt Bild: »Diese Panzer retten Leben!« Das ist eine Schlagzeile, bei der ich mich frage, wie man so tief sinken kann, und ich fürchte, daß wir damit den Tiefpunkt in der öffentlich zur Schau gestellten Kriegshysterie noch nicht erreicht haben. Leider ist es nicht nur der auf Auflage schielende Boulevard, der kriegslüstern tickt. Auch die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock scheint von allen guten Geistern verlassen zu sein. Denn sie verkündet öffentlich: »We are fighting a war against Russia.« Nur Die Linke und die AfD mahnen, die Bundesregierung möge sich um einen baldigen Waffenstillstand mit nachfolgenden Friedensverhandlungen bemühen. Was vernünftig ist. Ein Blick in die Geschichtsbücher lehrt, wie westliche Feldzüge gegen Rußland enden. Napoleon Bonapartes Grande Armée konnte im 19. Jahrhundert ebensowenig gewinnen wie im 20. die deutsche Wehrmacht. Trotz enormer Schlachtensiege im ersten und zweiten Kriegsjahr war die Kapitulation der 6. Armee im Kessel von Stalingrad am 2. Februar 1943 der Anfang vom Ende. Wer wissen möchte, wie dieses deutsche Waterloo aus russischer Perspektive gesehen wurde, sollte Wassili Grossmans Buch Stalingrad lesen. Der Autor hat als von Rotarmisten hochgeschätzter Korrespondent der Armeezeitung Roter Stern so gut wie alle wichtigen Schlachten an der Front miterlebt. In seinem Roman verdichtet er den »Großen Vaterländischen Krieg« zu einem eindringlichen Epos. Ganz so wie Leo Tolstoi, der in Krieg und Frieden zeigt, wie sich die zaristische Gesellschaft mit ihren Vätern und Müttern, Söhnen und Töchtern, Soldaten, Offizieren und Generälen zum und im Krieg verhält, gelingt dies Grossman mit den von ihm geschilderten Menschen in der Sowjetunion. Ich lese dieses 1 200 Seiten starke Meisterwerk derzeit in der im Claassen Verlag in einer exquisiten deutschen Übersetzung publizierten rekonstruierten Urfassung. »Sie werden Grossmans Figuren lieben und wollen, daß sie bleiben, sie genauso in Ihrem Leben brauchen wie Ihre Familie, und am Ende wollen Sie es noch einmal lesen«, urteilte der Daily Telegraph über »einen der bedeutendsten Romane des 20. Jahrhunderts« (Observer). »Der Krieg ernährt den Krieg. Gehn Bauern drauf, Ei, so gewinnt der Kaiser mehr Soldaten«, heißt es in Friedrich Schillers Wallenstein. Schillers Dramentrilogie behandelt den Dreißigjährigen Krieg von 1618 bis 1648. Dessen Wirren und Greuel hat Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen in seinem Roman Der abenteuerliche Simplicissimus eindringlich beschrieben. Möge uns heute ein ähnlich schreckliches Schicksal erspart bleiben!
Ihr Ingo Langner
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