Ausgabe No. 5| 2022: Nach dem Sündenfall
In der Schlacht im Teutoburger Wald gingen 9 n. Chr. drei römische Legionen unter. Die siegesgewohnten Römer hatten gegen die von Arminius angeführten Cherusker keine Chance, weil die sich im heimischen Wald wie Fische im Wasser bewegten. Der römische Feldherr Publius Quinctilius Varus nahm sich noch auf dem Schlachtfeld das Leben. Auch als Christen blieben die Germanen ihren Wäldern treu. Nachdem Thor, Odin und Tyr längst schon wohin auch immer entschwunden waren, dichtete Adalbert Stifter in seiner Erzählung Der Hochwald: »Alle, die je in jene Waldländer gerieten, fanden eine schöne Wildnis voll gesunder Blumen, Kräuter und herrlicher Bäume, die Wohnung unzähliger fremder Vögel und Tiere, aber nicht das mindeste Verdächtige.« Das, wovon Stifter sprach, hatte mit den Urwäldern von einst nichts mehr zu tun. Was dort natürlich gewachsen war, stand jetzt in Reih und Glied. Ordnung mußte sein im neuen deutschen Wald. »Das Massensymbol der Deutschen war das Heer«, schreibt Elias Canetti in seiner Studie Masse und Macht und fährt fort: »Aber das Heer war mehr als das Heer: Es war der marschierende Wald. … Das Rigide und Parallele der aufrechtstehenden Bäume, ihre Dichte und ihre Zahl erfüllt das Herz des Deutschen mit tiefer und geheimnisvoller Freude.« Nimmt es in dieser Gemengelage noch wunder, daß sich die Grünen mit ihrer Propagandaparole vom Waldsterben tief ins deutsche Gemüt einzufühlen wußten? Was in der Gründungszeit von dieser Partei bewirtschaftet wurde, war eine Liaison dangereuse aus Heimweh und Angst. Die fand in den einschlägigen deutschen Medien ihren entsprechenden Widerhall: »Wir stehen vor einem ökologischen Hiroshima«, konnte man im Nachrichtenmagazin Der Spiegel lesen. Solche Töne führten zu der von anderen Nationen diagnostizierten German Angst. Die hat der amerikanische Historiker Walter Laqueur so auf den Punkt gebracht: »Wenn die Deutschen noch Polytheisten wären, hätten sie sicher einen Angstkult, würden den Göttern der Angst Statuen aufstellen und ihnen Opfer darbringen.« Die German Angst ist in der Pandemie erneut nahezu allmächtig geworden, und seit dem Ukrainekrieg hat sich die deutsche Hybris, ihr Zwillingsbruder, dazugesellt. Weil das angeblich alternativlos ist, wird Rußland sanktioniert. Bis alles in Scherben fällt? Wären wir heute weniger deutsch, wenn Varus anno 9 n. Chr. die Schlacht gewonnen hätte? Oder können Völker ebensowenig aus ihrer Haut wie jeder Mann und jede Frau? Oder wie diese Bundesregierung? Hochmut kommt bekanntlich vor dem Fall! Soll heißen: Die selbsternannte Fortschrittskoalition konnte nach ihrem Amtsantritt im Dezember 2021 vor Kraft kaum laufen, doch nur wenige Monate später siecht sie orientierungslos dahin und ist im Grunde schon todgeweiht. Mein Fazit: In Deutschland sind Zauberlehrlinge an der Macht, und ihr Meister, der den angerichteten Totalschaden heilen könnte, scheint ausgewandert zu sein.
Ihr Ingo Langner
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