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Editorial von Andreas Lombard
Am 30. November 2018 starb im Alter von 94 Jahren George Bush senior, der 41. Präsident der USA und bekanntlich einer jener Staatsmänner, denen Deutschland die Wiedervereinigung verdankt. Am 7. Dezember wurde Annegret Kramp-Karrenbauer zur neuen Bundesvorsitzenden der CDU gewählt. In jenen späten Tagen des alten Jahres stand das Ölporträt George Bushs mit Trauerflor auf einer großen Staffelei im New Yorker »Union League Club«, dessen Ehrenmitglied Bush war. Das Gespräch kam auf Deutschland und den Hamburger Parteitag der CDU. Ein amerikanischer Kollege fragte mich: »What’s her name? Vinaigrette?«
Gar nicht so falsch, dachte ich. Aus Annegret muß Vinaigrette werden. Sie steht vor der großen Aufgabe, zwei gegenläufige politische Tendenzen unter einen Hut zu bringen. Sie muß das Öl des Patriotismus mit dem Essig des Universalismus mischen: »rühren ohne zu schütteln«. Gesucht wird eine legitime Formel, Patriotismus ohne gefährliches Ressentiment mit Universalismus ohne naive Illusionen zu verbinden, denn den Universalismus gibt es real nur partikular oder gar nicht. So formulierte der Historiker Rolf Peter Sieferle (1949–2016) die Aufgabe des 21. Jahrhunderts. Wer diese Quadratur des Kreises schafft, ohne die westlichen Demokratien in die Luft zu jagen, dem winkt eine hohe politische Prämie, wie Sieferle am Ende seines Buchs Epochenwechsel schrieb. Deutschland hat das Problem auf die Spitze getrieben und braucht nun die Antwort besonders dringend. Auch deshalb blicken viele Länder mit der Frage auf uns, ob wir die Lösung kennen. Und ob Annegret Kramp-Karrenbauer sie kennt. Noch wissen wir es nicht.
Ohne die rettende Formel droht ein eskalierender Kulturkampf von globaler Dimension. Merkel hat sich bereits im Transnationalismus verheddert und so die EU erschüttert. Freiheit und Freizügigkeit haben immer einen Preis, wie der Althistoriker Alexander Demandt (S. 14) zeigt. Die Öffnung der europäischen Sozialsysteme ist Verrat an den Steuerzahlern, erst recht bei paralleler Erosion des staatlichen Gewaltmonopols wie in Deutschland. Unter solchen Bedingungen wirkt ein Kardinal, der 2016 auf dem Tempelberg sein Kreuz ablegte und sich jetzt vom »ausgrenzenden« Begriff des christlichen Abendlandes distanziert, eher komisch.
Internationale Gremien können die Souveränitätsrechte der Nationalstaaten nicht beschneiden, ohne die Demokratie immer mehr zu untergraben. Dagegen regt sich Widerstand. Der Brexit und die Bewegung der Gelbwesten sind Symptome der Überforderung. Großbritannien droht die Zerreißprobe (S. 36), Frankreich der Bürgerkrieg (S. 43). Nicht weniger unter Druck als England und Frankreich sind die USA. Welche Optionen Präsident Trump vor Augen hat, weiß John Fonte, der die lange Denktradition konservativer amerikanischer Außenpolitik nachzeichnet, die Trump erstmals popularisiert (S. 26). Nicht nur Amerika, auch Europa stellt vielerorts die Weichen neu. Budapest wartet auf ein Signal aus Berlin, denn Ungarn ist wie viele andere Länder Ostmitteleuropas auf eine florierende deutsche Wirtschaft angewiesen und betrachtet unsere humanitären Kapriolen mit großer Sorge (S. 60). Kapriolen? Ja, selbst eine »wissenschaftliche« Umwertung des Terrors scheint nicht mehr ausgeschlossen zu sein (S. 49).
Wer für diesen Salat die richtige Vinaigrette findet, wird obendrein viel Charme für die überfälligen Offensiven brauchen. Was
Charme eigentlich ist, skizziert der amerikanische Essayist Joseph Epstein (S. 65), dessen geselliger Ton schon fast die Antwort verrät, findet
Ihr